Seit ziemlich genau einem Monat ist die Funke Zentralredaktion auf TikTok aktiv. In dieser Zeit sind elf Kurzvideos entstanden, die bereits Tausende Nutzer*innen erreicht haben. Die Funke-Mediengruppe gehört damit zu den Pionieren unter den deutschen Medienhäusern auf TikTok, denn bisher gibt es bis auf einige öffentlich-rechtliche Rundfunkformate wie die Tagesschau, die Deutsche Welle oder den Bayerischen Rundfunk kaum deutsche Medienmarken, die auf der chinesischen Plattform aktiv sind.
Die ersten Ergebnisse auf dem Funke-TikTok-Kanal sind zufriedenstellend. Alle Videos verzeichnen bisher mehrere Hundert Abrufe, ein Rundgang durch die Redaktion sogar fast 125.000 Views. Weber erkennt ein Muster: “Man sieht deutlich, dass die Videos, in die ich viel Vorbereitungszeit und eigene Ideen stecke, deutlich besser ankommen.” Bei den übrigen Videos handelt es sich um Videos, in denen sie – wie es auf TikTok üblich ist – Trends nachahmt und sie auf Nachrichten und Journalismus überträgt.
Die Strategie hinter dem Kanal ziele eindeutig auf die Brand Awareness ab, sagt Weber. Die Aktivitäten auf der Plattform brächten sehr wahrscheinlich nicht mehr Traffic auf die Newsportale der Funke Mediengruppe. “Da machen wir uns nichts vor”, sagt die Redakteurin. Vielmehr geht es darum, “die jungen Leute zu verstehen.” Dabei ist Weber selbst erst 24 Jahre alt. “Für eine Journalistin bin ich zwar jung, für TikTok aber alt.” Bei der Erschließung dieser jungen Zielgruppe will Funke nun eine Art Vorreiterrolle einnehmen und innovativ sein.
Dass man als Medienhaus nicht automatisch journalistische Inhalte auf der Plattform verbreitet, zeigt das Beispiel der Washington Post. Auf dem Kanal gibt es hauptsächlich unterhaltsamen Content, der eher im weiteren Sinne mit der Tageszeitung zu tun hat. Auch auf dem Funke-Kanal gibt es derzeit eher Inhalte, die die Marke in der jungen Zielgruppe stärken sollen. “Wir stecken voll in der Ausprobier-Phase”, sagt Weber und testet aktuell, wie gut Image- im Vergleich zu Nachrichtenbeiträgen funktionieren. Doch eine strikte Fokussierung auf nachrichtliche Inhalte lassen die zeitlichen Ressourcen aktuell ohnehin nicht wirklich zu. Die Aufbereitung von News in Kurzvideos ist hochgradig zeitintensiv. Und dann bleibt immer noch die Frage, wie geeignet der Kanal für klassische Berichterstattung überhaupt ist. Denn der TikTok-Algorithmus spielt – anders als Facebook oder Instagram – Videos manchmal erst viele Wochen nach dem Erscheinen auf der sogenannten For You Page (FYP) aus. Tagesaktuelle News könnten demnach längst veraltet sein, ehe sie beim User ankommen.
Obwohl die Videos auf TikTok “nur” 15 Sekunden oder eine Minute dauern, kostet die Pflege des Accounts viel Zeit. Aktuell investiert Weber ein bis zwei Drehtage pro Monat, um das Videomaterial vorzuproduzieren. Das Bearbeiten und Posten der Filme sowie das Antworten auf User-Kommentare verlangen dann täglich mindestens eine weitere halbe Stunde bis Stunde Arbeitszeit. Wenn eine Redaktion sich richtig auf TikTok konzentrieren wolle, so könne man dafür eigentlich eine Vollzeitstelle einplanen, schätzt Weber.
Funke pflege zudem guten Kontakt zu Ansprechpartnern bei TikTok. Die deutschen Vertreter der Plattform seien “sehr interessiert an Redaktionen” und als Pressevertreter sei es nicht schwer, auf sie zuzugehen. So gebe es beispielsweise Videocalls mit anderen Medienunternehmen und Magazinen, in denen TikTok Hilfestellung gibt.
Save the date:
Wenn Sie mehr über Journalismus auf TikTok erfahren sowie die Strategien ausgewählter Beispiele aus der Branche kennenlernen wollen, können Sie sich den 22. Oktober vormerken. Im BDZV-Webinar erklären Thorsten Merkle und ich die Plattform und diskutieren kontrovers, ob es sich bei TikTok eher um Marktplatz oder Spielplatz für Verlage handelt – denn das jule-Team ist sich in seiner Einschätzung über Sinn und Unsinn von TikTok keineswegs einig.
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